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Tanz- und Kulturfestival Budapest

    

Eines schönen Tages trudelte auf Beate’s PC eine Einladung zum Tanz- und Kulturfestival in Budapest ein. Diese Einladung wurde erst einmal in die Ablage geschoben. Tage später und nach einigen heißen Diskussionen entschlossen Mirjam und Beate sich, einen Trip nach Ungarn zu wagen. Gesagt – getan, führte der erste Weg ins Reisebüro um einen Flug von Zürich nach Budapest zu buchen. In der Zwischenzeit meldete sich auch die Organisatorin der Veranstaltung, Katerina, und teilte mit, dass sie sich sehr über einen Besuch von uns freuen würde. Das rollstuhlgerechte Hotel sei gebucht und der Galaabend organisiert. Das dreitägige Programm sollte durch Ausflüge und Besichtigungen noch attraktiver werden.

Leider waren wir in keinster Weise vorbereitet. Wir sollten zwei Formationen von jeweils 4-5 Minuten zeigen. Weil wir normalerweise als Formationstanzgruppe mit mindestens vier Paaren auftreten, lag natürlich keine Choreographie für ein Einzeltanzpaar vor. Das bedeutete wieder einmal: Musik auswählen und schneiden, eine Choreographie erstellen und Kostüme aussuchen.   

Alle Pfingsttage verbrachten wir im REHAB Basel um geeignete Tanzfiguren aneinander zu reihen und zu üben, üben, üben….
Damit war immer noch die Klamotten-Frage nicht geklärt: Ein langer Abend in Lörrach und 15 Geschäfte später schleppten wir stolz unsere neuen Tanzoberteile nach Hause.

  

                                                                  

  

Am 16. Mai starteten wir mit „Malev“ Richtung Budapest. Auch auf dem Flug hatten wir noch immer Angst, dass uns am Flughafen niemand abholen würde. Doch diese Angst war völlig unbegründet. Anfangs fühlten wir uns aufgrund der guten Betreuung bestens aufgehoben. Später jedoch fanden wir, dass übermässige Betreuung sehr anstrengend sein kann – davon später mehr.

Nach einer kurzen Stadtführung und einem leckeren Mittagessen im Diplomaten-Viertel erreichten wir unser „rollstuhlgerechtes“ Hotel, das schon durch seine hohen Treppen im Eingangsbereich auffiel. Steile Rampen, die mit Hilfe zu bewältigen waren, brachten uns zum Zimmer. Dort erwartete uns die nächste Überraschung: Schwellen am Eingang zum Zimmer und zum Bad waren noch das kleinste Problem.

  

 Zuerst schoben wir die Betten um, damit Beate mit dem Rollstuhl überhaupt bis ans Bett kam. Dann stand die Besichtigung des Badezimmers an, wobei der Begriff Bade-„Zimmer“ reichlich übertrieben ist. Es handelte sich eher um eine Dusch- und Toiletten-„Kammer“ von 2 x 2 Metern.

                    

Schlimmer konnte es kaum noch werden. Doch unverhofft kommt oft: Nachdem wir uns frisch gemacht hatten, ging es mit dem Kleinbus Richtung „Palais“ zur Pressekonferenz, bei der leider kaum Presse anwesend war. Dafür lernten wir aber die anderen Tänzerinnen und Tänzer aus Russland, Litauen, Polen und Ungarn kennen. Und der nächste Schock stand bevor:   Bei den polnischen und russischen Teilnehmern handelte es sich um professionelle Turniertänzer, die sogar soweit gingen, dass sie Rollen rückwärts und Kopfstand mit Rollstuhl zeigten.

Auch unser erster Auftritt in Ungarn stand bevor. Das eine Woche vorher eingeübte Standard-Programm sollte ja jetzt perfekt sitzen und musste von uns nur noch abgerufen werden. Die CD lief ausnahmsweise mal perfekt nur wir hatten das eine oder andere „Problemchen“: Die Aufstellung funktionierte wunderbar, wir legten unser professionelles Bühnen-Lächeln auf und schon konnte es losgehen. Aber es ging nicht!   Bereits beim ersten Vorwärtsrollen, unserem Einmarsch, blieb der Rollstuhl stecken und Mirjam wurde so irritiert, dass sie gleich nach der zweiten Figur das Programm und die Richtung verlor. Was blieb uns anderes übrig, als das ganze Programm spontan im Freestyle zu gestalten, aber im Improvisieren sind wir ja die Besten. Weil wir uns von unserer Panne nichts anmerken liessen, konnten wir nach dem Auftritt jede Menge Applaus einheimsen.

      

Im Anschluss an die Pressekonferenz waren wir zum Dinner eingeladen und zu Mirjams Enttäuschung gab es schon wieder keine ungarischen Spezialitäten wie Gulasch oder Salami. Es schmeckte aber alles hervorragend und so langsam wurden wir bettschwer. Wir hofften nur noch, schnell zum Hotel zu kommen aber Katerina (unsere Festival-Leiterin) liess sich nicht davon abbringen, uns noch Budapest bei Nacht zu zeigen.

   

 

Am Ende konnten wir dann doch noch unser kuschelig-kleines Hotelzimmer aufsuchen und da es doch ein langer Tag war, fielen wir schlagartig in einen komaartigen Tiefschlaf.

Am nächsten Morgen ging es nach einem ausgiebigen Frühstück direkt weiter zum Nationalmuseum, wo für zwölf Uhr der nächste Auftritt geplant war. Bereits auf dem Hinweg hörten wir im Radio die Stimme von Katerina und unser litauischer Freund Arnoldus übersetzte uns, dass dort über unsere Auftritte berichtet wurde.

Vor der Freitreppe des Nationalmuseums konnten alle Nationen ihre Tänze zeigen. So konnte das Publikum die gesamte Breite des Rollstuhltanzes kennen lernen: Duodancing, Standard, Latein, Freestyle und Rollstuhlakrobatik. Nach unserem „Debakel“ bei der Pressekonferenz konnten wir uns jetzt zu einem tollen Auftritt beglückwünschen.

     

                             

Danach ging es gleich wieder in den Bus und weiter zum nächsten Auftrittsort, wo der Galaball stattfinden sollte. Dort angekommen räumten wir unsere Kleidersäcke und Taschen aus und dachten, es ginge jetzt zurück zum Hotel. Doch weit gefehlt! Es ging zum Mittagessen und ausserdem erfuhren wir noch, dass wir bis abends dort bleiben würden. Darauf waren wir überhaupt nicht eingerichtet, aber im Improvisieren sind wir ja die Besten.

Zum Mittagessen ging es in ein typisches ungarisches Gartenlokal und von uns ist niemand verhungert!

   

  

    Den Nachmittag verbrachten wir damit, für alle eine Generalprobe zu veranstalten. Wir hatten uns das mit dem Galaball irgendwie anders vorgestellt aber anscheinend ging es hier um eine Vorführung auf der Bühne mit Publikum.

Nach zwei Stunden Probe hiess es für uns: ab in die Umkleide, rein in die Standard-Kleider. Und dann hiess es nur noch: warten, warten, warten….. Das Programm zog sich so in die Länge, dass wir erst vor der Pause (ca. 3 Stunden später) auf die Bühne kamen. Professionell spulten wir unser Programm ab und ernteten tollen Applaus. Bis dahin wussten wir immer noch nicht, wann unser nächster Auftritt stattfinden sollte, aber wir legten schon mal unsere Latein-Kleidung an. Und dann hiess es wieder: warten, warten, warten…..

    

                                   

   Nach weiteren zwei Stunden leerte sich der Publikumsraum immer mehr und wir beschlossen, auf unseren zweiten Auftritt zu verzichten, da das Programm mittlerweile über fünf Stunden dauerte und das Publikum wirklich überfordert war. Nach einem tollen Finale ging es im überfüllten Kleinbus zurück zum Hotel. Der Bus war so voll, dass einige Fussgänger stehen mussten, andere auf dem Boden sassen und wieder andere auf dem Schoss der Rollstuhlfahrer Platz nahmen. Durch die Enge kamen sich die verschiedenen Nationen näher und es trug zur Völkerverständigung bei, dass wir gemeinsam polnische Volkslieder trällerten.

Für den nächsten Tag waren nur noch kulturelle Dinge angesagt. Nach dem Frühstück trafen wir uns in der Hotel-Lobby zum Austausch der Mitbringsel. Die Zeit bis zum Abflug füllten wir mit einem Ausflug zur Margarethen-Insel.

   

Leider hatten diese Idee auch viele Einheimische und so drängelten wir uns über die Wege durch den Park.

  

 

Nach einigen Besichtigungen bekamen wir freien Auslauf und durften zum ersten Mal seit unserer Ankunft selbst bestimmen, was wir tun und lassen wollten. Komisch, nach nur zehn Minuten trafen wir uns alle wieder am Bus. Einige Diskussionen später entschied man, dass die Gäste, die zum Flughafen mussten in Richtung Hotel fuhren, die anderen eine Stadtbesichtigung machten. Wir wähnten uns bereits auf dem Weg zum Hotel, als wir feststellten, dass wir uns in eine andere Richtung bewegten. Mit Händen und Füssen erklärte uns unser russischer Mitfahrer, dass wir erst noch auf einen Hügel mit Blick über Budapest fahren würden. So geschah es dann auch.

   

 

Nach anderthalb Stunden „blicken über Budapest“ drängten wir dann doch ins Hotel zu kommen. Und schon wenige Minuten später ging es weiter im Bus. Allerdings mit einem kleinen Zwischenstopp am Heldenplatz. 
  
Mittlerweile wurden wir doch etwas nervös, da wir davon ausgingen, dass unser Flugzeug nicht auf uns warten würde, aber Katerina war die Ruhe selbst. Und ausserdem ging es jetzt wirklich zurück zum Hotel. Dort wollten wir uns noch kurz frisch machen, bevor es zum Flughafen ging. Leider bekamen unsere russischen Mittänzer plötzlich Hunger und beschlossen „noch kurz“ einen Abstecher ins Einkaufszentrum zu machen. Wir blieben im Hotel, nur noch hoffend, den Flughafen irgendwie pünktlich zu erreichen. Gerade als wir beschlossen hatten, ein Taxi zu rufen, bog unser Bus um die Ecke. Endlich konnte es losgehen! Nach großen Verabschiedungen wollten wir gerade in den Bus steigen, als Katerina noch einfiel, dass wir uns noch gar nicht ins Gästebuch eingetragen hatten. Also wurde auch das noch schnell erledigt, obwohl wir schon schweissnasse Finger vor Aufregung hatten. Aber irgendwie ging es irgendwann dann doch noch zum Budapester Flughafen und wir machten uns auf den Heimweg Richtung Schweiz.

Es war ein ziemlich anstrengendes Wochenende, bei dem wir aber viel gelernt haben und bei dem wir nette Leute kennenlernen durften. Besonders interessant war es für uns, zu sehen, was tänzerisch in den osteuropäischen Ländern gelehrt wird.



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